Intern
Fränkische Landesgeschichte

Münzreform Karls des Großen

Karl der Große knüpfte an die Münzprägung seines Vaters Pippin (751-768) an, die wiederum auf merowingischen und römischen Vorbildern beruhte. Schon Pippin hatte die verschiedenen Prägestätten der weltlichen und geistlichen Großen des Frankenreiches verboten und die Münzprägung als alleiniges Königsrecht (Regal) durchgesetzt.

1. Erste Münzperiode ab etwa 771

Unter Karl dem Großen vollzogen sich jedoch die deutlichsten und nachhaltigsten Einschnitte in das Münzwesen. Sein Bemühen, das fränkische Großreich durch die Vereinheitlichung äußerer Gegebenheiten leichter regierbar zu machen, betraf neben Schrift, Sprache und Bildung (Karolingische Bildungsreform) auch das Maß- und Währungssystem.


Seit 771 zeigten die meisten Denare Karls des Großen ein einheitliches Aussehen. Auf der einen Seite war - ohne Angabe des Titels - ausschließlich der Name Karls - C A R o / L V S - in zwei Zeilen zu lesen. Die andere Seite zeigte, meist ebenfalls zweizeilig, den Prägeort an. Die beiden nebenstehenden Beispiele stammen aus dieser Periode. Prägeorte sind Dorestadt ( D O R / S T A D, oben) und Liège ( L E o / D I C o , unten). Diese Denare waren relativ leicht. Das Durchschnittsgewicht betrug 0,8-1,2 gr.

2. Zweite Münzperiode ab etwa 793/94

Ab etwa 793/94 trat eine weitere Neuerung hinzu, die Einführung des Karlspfundes ( pondus Caroli ) als grundlegende Gewichts- und Recheneinheit für Münzen.

Unter Karls Vater Pippin war das Pfund noch zu 22 Schillingen angegeben worden. Zu Denaren geschlagen wurden allerdings nur 20, denn einer gebührte dem somit vorzüglich bezahlten Münzbeamten ( monetarius ), der andere dem Fiskus (MGH, CAP. 1, S. 32, Pippini Regis Capitulare, ca. 754/55):

De moneta constituimus, ut amplius non habeat in libra pensante nisi XXII solidos, et de ipsis XXII solidis monetarius accipiat solidum I, et illos alios domino cuius sunt reddat.

Wann und unter welchen Umständen genau Karl der Große von diesem System abrückte, hat sich zu einem dauerhaften Forschungsgegenstand entwickelt. Das Problem liegt hauptsächlich darin, daß ein eindeutiges Königsgesetz ( Capitulare ) nicht vorhanden ist, so daß nur aus der Kombination von verstreuten Erwähnungen in den Quellen und natürlich den überlieferten Münzen selbst Rückschlüsse gezogen werden können. Neben der in zahlreichen Quellen erwähnten und von Karl immer wieder angemahnten Verwendung einheitlicher Maße und Gewichte gibt es eigentlich nur wenige zentrale Schriftquellen, die Rückschlüsse auf Karls Umgestaltung des Münzwesens zulassen.

In einem Capitulare aus dem Jahr 803 erfahren wir lediglich, daß ein Schilling weiterhin wie gewöhnlich 12 Denare gelten soll (MGH, Cap. I, S. 114). Das sog. Capitulare episcoporum , früher meist mit 780 datiert, neuerdings eher in die Jahre 792/93 gesetzt, nennt jedoch ein anderes Verhältnis von Pfund und Schillingen. Zur Fastenzeit solle jeder Bischof, jeder Abt und jede Äbtissin eine Silberabgabe an den Fiskus leisten; die reichen ein ganzes Pfund, die mittleren ein halbes und die ärmeren fünf Schillinge (MHG, Cap. I, S. 52):

Et unusquisque episcopus aut abbas vel abbatissa, qui hoc facere potest, libram de argento in elemosinam donet, mediocres vero mediam libram, minores solidos quinque.

Wenn die Steuerlast also je nach Reichtum der geistlichen Würdenträger um jeweils die Hälfte gemindert wurde, so ist hier eindeutig festgeschrieben, daß ein Pfund aus 20 Schillingen bestehen soll. Ein Schilling gilt nach wie vor 12 Denare. Ein Pfund hat also 240 Denare.

Erst in der Kombination mit einer weiteren Quelle, die aber ihrerseits nichts von den Relationen berichtet, läßt sich die zweite Stufe der Münzreform auf etwa 793/94 datieren. Denn kurze Zeit später, auf der großen Frankfurter Synode von 794, wurde festgesetzt, daß überall im Reich neue Münzen ( novi denarii ) eingeführt und von allen anerkannt werden sollten. Auf ihnen sollte der Name Karls erscheinen und sie sollten aus reinem Silber sein (MGH, Cap. I, S. 74, Synodus Franconofurtensis, 794):

De denariis autem certissime sciatis nostrum edictum, quod in omni loco, in omni civitate et in omni empturio similiter vadant ist novi denarii et accipiantur ab omnibus. Si autem nominis nostri nomisma habent et mero sunt argento, pleniter pensantes, si quis contradicit eos ...

Die Münzreform bewirkte nicht nur ein im ganzen Reich einheitliches Münzwesen. Die Denare gewannen durch eine Steigerung des Normgewichts für ein Pfund und durch die reduzierte Unterteilung von 22 auf 20 Schillingen zu je 12 Denaren an Gewicht und damit an Wert. Tatsächlich liegen alle Denarfunde aus dieser Münzperiode bei etwa 1,3-1,8 gr. Der Feingehalt an Silber ist ebenfalls vorzüglich. Die meisten Denare Karls des Großen sind deshalb selbst bei Bodenfunden in einem verhältnismäßig guten Erhaltungszustand.

3. Vereinheitlichung des Münzbildes

Mit den novi denarii erfolgte auch eine weitere Vereinheitlichung des Münzbildes. Die Vorderseite zeigt ein Kreuz mit der Umschrift CARLVS REX FR[ANCORVM]: Karl, König der Franken. Die Rückseite nennt den Prägeort (hier: Dorestad bei Utrecht) und bildet das aus den Buchstaben K – A – R – O – L – V – S zusammengesetzte Herrschermonogramm Karls ab.

Dieses Monogramm, von Karl persönlich mit einem Vollziehungsstrich vollendet, findet sich als Echtheitsmerkmal auch in den Signumzeilen der Urkunden des Herrschers. Somit zeigen Münzen und Urkunden in diesem Detail ein einheitliches Aussehen und künden von einer gezielt propagierten Staats- bzw. Herrschaftssymbolik. Die Denare wurden in etwa 60 über das ganze Reich verteilten Münzstätten geschlagen. Die Schwerpunkte der Münzherstellung lagen im westfränkischen Reichsgebiet.

Im Übrigen zeigen somit die Münzen auch das Abbild eines der ganz wenigen verbürgten persönlichen Schreibakte Karls des Großen. Nach den Aussagen seines Biographen Einhard übte sich Karl noch im hohen Alter in schlaflosen Nächten im Schreiben. Dazu hatte er kleine Täfelchen unter dem Kopfkissen. Fortschritte machte er allerdings nicht; es reichte nur für den Vollziehungsstrich im Herrschermonogramm.

Münzbild und Umschrift blieben bis zum Tod Karls des Großen in Gebrauch. Merkwürdigerweise änderte Karl zwar nach der Kaiserkrönung des Jahres 800 seine Herrschertitulatur in den Urkunden. Aber auf den wesentlich weiter verbreiteten ‚Herrschaftszeichen‘ Münze ließ er sich bis zu seinem Tod im Jahr 814 nur als „König der Franken“ darstellen. Zwar gibt es ganz wenige nach 800 geprägte Münzen, die neben einer Büste Karls auch ein IMP[ERATOR] AVG[USTVS] in der Umschrift führen. Diese waren jedoch ganz offensichtlich Sonderemissionen und nicht für den normalen Zahlungsverkehr gedacht. Dafür spricht die zahlenmäßige Überlieferung. Während von den Denaren der ersten und zweiten Münzperiode alleine in den großen Münzsammlungen Europas grob geschätzt 2000 Exemplare erhalten sind, beträgt die Anzahl der (gelegentlich als dritte Münzperiode bezeichneten) „Kaisermünzen“ gerade 29 Stück.

4. Die weitere Entwicklung

Zur Zeit Karls des Großen wurden nur Denare auch tatsächlich ausgemünzt. Die Einheiten Schilling und Pfund waren reine Gewichts- und Recheneinheiten. Karl setzte ganz auf ein „monometallisches System“. Eine einzige, 1996 in Ingelheim gefundene Goldmünze wirft die Frage auf, ob er kurz vor seinem Tod davon abweichen wollte, oder ob es sich um eine posthume Prägung handelt. Abgesehen von einem weiteren kurzen Experiment mit Goldprägungen unter Ludwig dem Frommen (814-840) blieb der Denar aus Silber die bedeutendste Münze des ganzen Mittelalters.

In England wandelte sich der Denar zum Penny. Dort blieb übrigens das von Karl dem Großen eingeführte System am längsten erhalten: Die Relation von 1 Pfund Sterling (£) zu 20 Shillingen und 240 Pennies galt dort bis zur Umstellung auf das Dezimalsystem im Februar 1971! Kaum weniger dauerhaft war Karls Maß- und Münzreform im fränkischen bzw. deutschen Reich. Auch hier wurde erst 1806/07 das metrische System eingeführt, mit dem die Grundidee des Karlspfundes als Maß- und Recheneinheit aufgegeben wurde. Bayern ging erst 1809 zum metrischen System über.

Im Reichsgebiet trat im 10. Jahrundert für den Denar erstmals die Bezeichnung Pfennig auf - der uns bis zur Einführung des Euro 2002 erhalten blieb. Im Hochmittelalter wurde das ursprüngliche Königsregal der Münzprägung immer häufiger an geistliche und weltliche Fürsten ausgegeben. Um 1000 existieren bereits wenigstens 167 Münzstätten. Als internationale Fernhandelswährung genoß der Denar jedoch noch hohes Ansehen. Im Hochmittelalter trat als neue Gewichtseinheit neben das Pfund ab etwa 1045 die bekannte (Kölner) Mark (229-235 gr.).

Im Spätmittelalter war der Wertverlust jedoch groß. Gewicht und Feingehalt an Silber nahmen ab. In dieser Zeit der ‚regionalen Pfennigmünze‘ herrschte eine kaum überschaubare Vielfalt an Prägestätten. Ab etwa 1300 tritt als kleinere Scheidemünze der Heller hinzu. Im 14. Jahrhundert werden nun auch Schillinge tatsächlich ausgemünzt; außerdem tritt beginnend mit den venezianischen Dukaten wieder eine Goldprägung (Gulden) hinzu.

5. Gewichtspfund und Rechenpfund

Für das Verständnis der mittelalterlichen Geldwirtschaft ist ein Punkt von größter Bedeutung: Der Unterschied zwischen Gewichtspfund und Rechenpfund. Karls der Große hatte noch eine ideale Annäherung der beiden Begriffe angestrebt. Ein karolingisches Pfund besaß ca. 408 gr.

Bei 240 Denaren auf das Pfund ergibt sich ein Idealgewicht von ca. 1,7 gr. pro Denar. Tatsächlich kammen nicht wenige der Denare Karls aus der zweiten Periode (1,3-1,8 gr.) diesem Verhältnis nahe. Für die besseren Denare (aus technischen Gründen konnte man nicht auf Zehntelgramm genau münzen) ergab sich eine Übereinstimmung von Gewichts- und Rechenpfund oder ‚Sachwert‘ und ‚Nennwert‘.

Durch das von dem englischen Finanzpolitiker Sir Thomas Gresham (1519-1579) erstmals formulierte Gesetz „schlechtes Geld verdrängt gutes Geld“ wurden auch die seit Karl dem Großen geschlagenen Denare immer leichter. Schwerere Münzen wurden ausgelesen und eingeschmolzen und nur die leichteren blieben im Umlauf. Neben der Hortung von guten Stücken trugen auch die Münzherren selbst durch leichtere Ausprägungen zur Steigerung des Schlagschatzes zum Rückgang des Münzgewichts bei.

In der Folge differierten bald Gewichtspfund und Rechenpfund. Theoretisch bildeten zwar immer noch 240 Pfennige ein Pfund. An dieser Fiktion hielt man schon aus rechnerischen Gründen zäh bis über das Mittelalter hinaus fest. Auf der Waage ergaben 240 Pfennige aber bald deutlich weniger als ein Pfund zu 408 gr. Oder andersherum: Auf einer Waage war erheblich mehr als als 1 Pfund Pfennige (nämlich ein Rechenpfund zu 240 Stück) nötig, um ein Pfundgewicht (zu 408 gr.) anzuheben.

Das Auseinanderdriften von Gewichts- und Recheneinheit traf später auch die Mark. Als (idealerweise) etwa halbes Pfund besaß die Mark rechnerisch 120 Pfennige, tatsächlich gehen aber auf eine Gewichtsmark je nach Kursverfall von 130 über 144 bis schließlich 160 Pfennige.

Da neben dem reinen Münzgewicht durch Legieren auch der Gehalt an reinem Silber in der Münze (Feingehalt) zurückging, kam es vor allem im späten Mittelalter zu teilweise dramatischen Münzverschlechterungen (die in den herzoglichen Münzstätten Österreichs in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts geschlagenen Pfennige wurden Schinderlinge genannt!)



Schon zur Zeit Karls des Großen war deshalb auf das Zählen der Pfennige kein Verlaß. Da der Wert des Geldes im tatsächlichen Gewicht und Silbergehalt lag und nicht wie heute geringwertige symbolische Stücke (Münzen u. Scheine) durch Staatskredit gedeckt sind, gab es durch das ganze Mittelalter auch keinen auf der Münze aufgeprägten Geldwert. Die Waage, ohnehin zum Abwiegen der Waren ein notwendiges Utensil jedes Kaufmanns, wurde daher auch zum Abwiegen des Geldes benutzt. Eines der raren Beispiele von Geldgebrauch in der Buchmalerei bezeugt dies schon für die Zeit kurz nach Karl dem Großen. Eine Federzeichnung im um 825 entstandenen sog. Utrecht-Psalter zeigt Kaufleute beim Abwiegen von Münzen.

Bei Geldangaben in mittelalterlichen Quellen ist also immer höchste Vorsicht geboten. Handelt es sich um Gewichtsangaben (Pfund/Mark Silber) oder um das ‚billigere‘ Rechenpfund (ein Pfund Pfennige = 240 Pf. = deutlich weniger als ein Pfund Silber)?

6. Was konnte man für einen Denar kaufen?

Die Frage nach dem „Wert“ eines Denars zur Zeit Karls des Großen ist nur mit Einschränkungen zu beantworten. Dies liegt am unterschiedlichen und bis heute schwankenden Silberwert, am gänzlich anders strukturierten Wirtschaftssystem und an der gewandelten Wertschätzung einzelner Güter (Schwein, Kleid, Pferd, Brot ...).


Grobe Anhaltspunkte liefert jedoch ein Gesetz für Höchstpreise der wichtigsten Getreidesorten, das zugleich mit der Einführung eines neuen Hohlmaßes für Getreide ( modius = ca. 78,4 Liter) und der neuen Pfennige auf der Frankfurter Synode 794 beschlossen wurde. Demnach sollte niemand den Scheffel ( modius ) Hafer zu mehr als einen Denar verkaufen, der Scheffel Gerste sollte höchstens zwei, Roggen drei, und der Scheffel Weizen vier Denare kosten. Zu Brot gebacken sollten 12 Laibe zu je 2 Pfund höchstens einen Denar kosten (MGH Cap. I, S. 74, Synodum Franconofurtensis, 794):

Statuit piissimus dominus noster rex, ... ut nullus homo, ... ut nunquam carius vendat annonam .... quam modium publicum et noviter statutum, de modio de avena denario uno, modio ordii denarius duo, modio sigalo denarii tres, modio frumenti denarii quatuor. Si vero in pane vendere voluerit, duodecim panes de frumento, habentes singtuli libras duas, pro denario dare debeat.

Dies vermittelt natürlich nur eine grobe Vorstellung. Denn einerseits könnte man hochrechnen, daß bei einem Denar für 24 Pfund Brot ein Denar (bei Discounterpreisen) etwa 14 Euro entsprechen müsse. Aber andererseits wäre nach reinem Edelmetallwert selbst ein guter Denar zu 1,7 gr. nach heutigem Silberkurs nur 1,20 Euro wert. Vor dem rasanten Kursanstieg vor einigen Jahren waren es gerade einmal etwa 40 Cent.

Weitere Informationen und Bestellung hier.