Rom und das westliche Kleinasien in der späten Republik
Leitung: Prof. Dr. Rene Pfeilschifter
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Maria Janosch M.A. & René Walter M.A.
Das Projekt untersucht seit dem 1. Oktober 2023 horizontale Bindungskräfte und selbstregelnde Gruppen in der Stadt Rom und in Städten Westkleinasiens in ihrer Bedeutung für den Zusammenhalt der lokalen Gesellschaften (etwa 150 v. Chr. bis zur Zeitenwende). Die bisherige Konzentration der Forschung auf vertikale Patronagebeziehungen und auf die soziopolitischen Eliten soll ausbalanciert und korrigiert werden. Denn die top-down-Beziehungen wurden während der späten Republik eher schwächer und die staatliche Regulierungskapazität erhöhte sich nicht in großem Umfang.
Wir wählen deshalb eine breitere Perspektive: René Walter schreibt eine Arbeit zur Hauptstadt Rom, Maria Janosch eine zu Städten in der Peripherie, nämlich in der Provinz Asia. Die beiden Fallstudien werden in Form von Dissertationen durchgeführt. Im Blick stehen weniger die formellen Abläufe der ‚großen Politik‘ als die lokale Gesellschaft im ganzen. Dabei fällt auf, daß das tägliche Leben in Rom dank selbstregelnder Gruppen weiterlief, und zwar einigermaßen reibungslos, trotz erheblicher Ausschläge in der staatlichen Dichte, trotz gewalttätiger Unruhen und trotz eines weitgehenden personalen Austauschs der senatorischen Eliten durch Exil und Ermordung. In Asia sind finanzielle Repressionen durch die römischen Herren zu konstatieren, teilweise brutale Interventionen während der Bürgerkriege und ein großer externer Krieg (gegen Mithradates) mit einer mehrjährigen Okkupation. Dennoch scheinen auch hier die selbstorganisierenden Prozesse halbwegs befriedigend weitergegangen zu sein.
Auf dieser Beobachtung gründet die These, daß die Qualität der Ordnungsarrangements in größeren Städten des Römischen Reichs nicht nur vom staatlichen Regiment und von den Bemühungen der Eliten abhing, sondern entscheidend vom Funktionieren einer Zivilgesellschaft avant la lettre. Somit leistet das Projekt auch einen Beitrag zu der Frage, warum die römische Gesellschaft, die römische Staatlichkeit und die römische Herrschaft über den Mittelmeerraum die Krise und den Untergang der Republik überdauerten. Selbstregelnde Gruppen hatten sich in Rom und Asia unter sehr ungünstigen Bedingungen zu bewähren. Gerade das unterstreicht die Stabilisierungsleistung und die Resilienz der in ihnen zum Ausdruck kommenden horizontalen Bindungen.
Das althistorische Projekt ist Teil des interdisziplinären DFG-Paketvorhabens 1066 Lokalität und Gesellschaft: horizontale Bindungskräfte in der Antike und entsteht in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Barbara Schmitz (Altes Testament) und Prof. Dr. Jan R. Stenger (Klassische Philologie) sowie deren Mitarbeitern. Die beiden Schwesterprojekte nehmen ebenfalls selbstregelnde Gruppen in antiken Gesellschaften zu unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen Regionen in den Blick.
DFG Project „Horizontal binding forces, state regulation and local civil society: the city of Rome and Western Asia Minor in the Late Republic”
Principal Investigator: Prof. Dr. Rene Pfeilschifter
Doctoral Researchers: Maria Janosch M.A. & René Walter M.A.
Running since October 2023, the project investigates horizontal binding forces and self-governing groups in the city of Rome and in cities of western Asia Minor for their importance for the cohesion of local societies (c. 150 B.C. to the turn of the era). We aim to balance and correct the existing focus of scholars on vertical patronage relations and on sociopolitical elites. This is because top-down relations tended to lose strength during the late Republic and the capacity of state regulation did not increase significantly.
We therefore choose a broader perspective: René Walter focuses on the capital city Rome, Maria Janosch on some cities in the periphery, namely in the province of Asia. Both case studies are conducted in the form of dissertations. The focus is less on the formal processes of ‘big politics’ than on the local society as a whole. It is striking that daily life in Rome continued, thanks to self-governing groups, and it did so rather smoothly, despite considerable fluctuations in state capacity, despite violent unrest, and despite an almost complete annihilation of senatorial elites by exile and assassination. In Asia, financial repression by the Roman masters, sometimes brutal interventions during the civil wars, and a major external war (against Mithradates) accompanied by an occupation that lasted several years all made a considerable impact on local orders. Nevertheless, even here the self-organizing processes seem to have continued in a somewhat satisfactory manner.
Based on this observation, we suggest that the quality of governance constellations in larger cities of the Roman Empire not only depended on state regulation and the efforts of elites, but crucially on the functioning of a civil society avant la lettre. Thus, the project also contributes to the question of why Roman society, Roman statehood, and Roman rule over the Mediterranean survived the crisis and fall of the Republic. Self-governing groups had to endure in Rome and Asia under very unfavorable conditions. This very fact underlines the stabilizing power and resilience of the horizontal binding forces expressed in them.
Our project is part of the interdisciplinary DFG package proposal 1066 Locality and Society: Horizontal Binding Forces in Antiquity and is being carried out in partnership with Prof. Dr. Barbara Schmitz (Old Testament) and Prof. Dr. Jan R. Stenger (Classical Philology). The two sister projects also focus on self-governing groups in ancient societies at different times and in different regions.